Glasgow's experience as a city of culture in 1990

Charley, J.H. and Pert, Alan (2008) Glasgow's experience as a city of culture in 1990. In: Baukultur Salon, 1900-01-01. (Unpublished) (http://www.stadtbaukultur-nrw.de/projekte/baukultu...)

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Abstract

RÜCKBLICK Glasgow 1990 - Kulturhauptstadt bringt Imagewandel, aber auch mehr Lebensqualität? Seit 1985 führt mindestens eine europäische Stadt ein Jahr lang den Titel Kulturhauptstadt Europas (synonym: Europäische Kulturhauptstadt); ein Titel, der mittlerweile für eines der umfassendsten Stadtentwicklungsprogramme steht. Überraschenderweise zeichnete der Europäische Rat die schottische Stadt Glasgow (650.000 Einwohner) zur Europäischen Kulturhauptstadt 1990 aus. Glasgow, im Südwesten Großbritanniens am Fluss Clyde gelegen, war bis dahin einer der black Spots des Inselreichs und konkurrierte in seiner Bewerbung mit London und Edinburgh. Die eklatanten Folgen der Deindustrialisierung zeichneten das Bild der Stadt und das Leben der Glaswegians. Doch mit der erfolgreichen Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 1990 zelebrierte Glasgow den Weg aus der Krise mit Kunst und Kultur. Das damalige Konzept zielte nicht nur auf die Präsentation kultureller Highlights, sondern auch auf einen Imagewandel, eine Stadterneuerung sowie der Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität ab. Damit wurde ein neuer Typ der Europäischen Kulturhauptstadt definiert, der noch heute - insbesondere für das Ruhrgebiet und das Kulturhauptstadtjahr 2010 - als brandaktuelles Vorbild gilt. Die von ihrem Ruß- und Abgasmantel befreiten viktorianischen Sandsteingebäude in der Innenstadt Glasgows stehen stellvertretend für den Imagewandel, der mit dem Kulturhauptstadtjahr 1990 eingeleitet worden ist und mit den Titeln City of Architecture (2000) und Europäische Sporthauptstadt (2003) fortgeführt wird. Aber hat die Kulturhauptstadt neben Imagewandel und Stadterneuerung auch mehr Lebensqualität hervor bringen können? Mit dieser komplexen Fragestellung konfrontierte Ulrike Rose, Leiterin des Europäischen Hauses der Stadtkultur e.V., die Diskussionsteilnehmer des siebten Baukultur Salons am 19. Juni 2008 im stadtbauraum, Gelsenkirchen. Dr. Jonathan Charley, Architekt, Essayist und außerordentlicher Professor des Fachbereichs Architektur an der Strathclyde University Glasgow, blickte kritisch auf die Veränderungen, die sich im Zuge des Kulturhauptstadtjahres 1990 in Glasgow eingestellt haben: „The city of culture is understood as an urban spectacle or as a festival of spectacular cultural consumption […].' Der Titel Europäische Kulturhauptstadt und die damit verbundenen kulturellen sowie stadtentwicklerischen Maßnahmen wurden in Glasgow zwar als Motor für die Regeneration der Stadt und eine kulturelle Renaissance genutzt. Die Gentrifizierung und touristische Aufwertung der Innenstadt, die Schwerpunktsetzung auf Konsum und der gleichzeitigen Vernachlässigung sozialer Komponenten führten zu einer sozialräumlichen Spaltung Glasgows - „the tale of two cities' als die Hinterlassenschaft der Kulturhauptstadt. Die Realität außerhalb des City Centres wird noch immer von Armut, architektonischem Verfall, Gesundheits- und Bildungsdefiziten beherrscht. So ist nach Dr. Jonathan Charley das „Herausputzen der Innenstädte im Rahmen der Kulturhauptstädte' beeindruckend, jedoch ignorieren die Lobredner der Europäischen Kulturhauptstadt Glasgow die mannigfaltigen Probleme in den Außenbereichen der Stadt. Auf die Frage, ob es Aufgabe der Kulturhauptstadt ist (sein kann), die Situation in einer Stadt im Ganzen zu ändern, antwortete Dr. Jonathan Charley nachdrücklich, dass dies von der Institution Europäische Kulturhauptstadt nicht zu leisten sei. Diese könne Auswirkungen auf das Image einer Stadt/Region haben, sie kann positive Prozesse anstoßen und Experimente möglich machen; die Verbesserung der Lebensqualität würde jedoch komplexere und nachhaltigere Veränderungen bedürfen. Der seit 1990 fortlaufende Imagewandel Glasgows wird insbesondere sichtbar in den zahlreichen neu entstandenen Architekturen sowie in dem liebevoll restaurierten architektonischen Erbe rund um die Innenstadt. Von diesen dynamischen Veränderungen berichtete Alan Pert, echter Glaswegian, Architekt und Gastprofessor im Fachbereich Architektur an der Strathclyde University Glasgow. Er skizzierte eine nachhaltige Veränderung des Stadtbildes durch die zahlreichen Architekten, die seit 1990 in die Stadt kommen. Die Aufbruchstimmung im Zuge des Kulturhaupt- stadtjahres wirkt bis heute nach und schafft Vertrauen in den Veränderungswillen der Stadterneuerer. Doch werden mit dem Science Centre, Merchant City, Buchanan Street oder der Glasgow Royal Concert Hall Postkartenansichten von Glasgow geschaffen, die das zweite, ungeliebte Gesicht der Stadt in den Hintergrund drängen. Alan Pert unterstützte die Ansicht seines Vorredners, dass mit der Aufwertung der Innenstadt und der Entwicklung hin zu einer „Shopping City' benachteiligte Bevölkerungsschichten von der Dynamik der Europäischen Kulturhauptstadt ausgeschlossen und an den Stadtrand verdrängt werden. Darüber hinaus zeigte er sich fasziniert von der Haltung seitens der Politik gegenüber dem viktorianischen Erbe. In der Schließung öffentlicher Toiletten, Schwimmbäder oder Parkanlagen sieht er einen Verlust der lokalen Identität. Die lokale Identität bewahren heißt für das Ruhrgebiet auch im Kulturhauptstadtjahr sich mit dem Erbe einer ehemaligen Industrieregion und den aus der Deindustrialisierung resultierenden Problemen auseinanderzusetzen. Dieses Erbe ist die Region bereits mit der IBA Emscher Park angetreten. In den damals bereits getätigten, weltweit höchsten Investitionen in Freiraum sieht Prof. Jörg Dettmar, Landschaftsplaner und Berater der RUHR.2010 für den Bereich Landschaftsplanung und Baukultur, das größte Potenzial für die Weiterentwicklung der Region. Mit der IBA Emscher Park sei der „Aufbau von Lebensqualität durch die Entwicklung von Landschaft' gelungen, so Prof. Jörg Dettmar. In dem von der Bevölkerung intensiv genutzten Emschertal mit einer Gesamtgröße von über 400 km² wurden über 150 Einzelprojekte realisiert, die zu neuen Freiräumen, zu in Landschaftsparks umgestalteten Industriebrachen oder einem mehrere hundert Kilometer langen Radwegenetz führten. Prof. Jörg Dettmar betonte, dass insbesondere im Hinblick auf RUHR.2010 die Potenziale zur Weiterentwicklung einer urbanen Kulturlandschaft verstärkt in der (Re)Integration von Verkehrsinfrastrukturelementen, des Wassers und der landwirtschaftlichen Nutzflächen in das Gefüge einer attraktiven urbanen Kulturlandschaft liegen. An diese These knüpft das Projekt Parkautobahn A42 an, das für das Kulturhauptstadtjahr 2010 von den Städten Duisburg, Oberhausen, Bottrop (Federführung), Essen, Gelsenkirchen, Herne, Castrop-Rauxel und Dortmund (Anrainer des Emscherschnellweges) gemeinschaftlich und in Kooperation mit dem RVR und der Emscher Genossenschaft durchgeführt wird. Bernd Tischler, Raumplaner und Leitender Baudirektor der Stadt Bottrop, skizzierte in seiner Präsentation die Neuinterpretation der Autobahn A42 als „Parkerlebnisstrecke'. Dabei wird entlang der A42 mit einer Reihe von Umgestaltungen an Randstreifen, Seitenbegrünungen, Brücken, Abfahrten und Autobahnkreuzen versucht, den umgebenden Emscher Landschaftspark zu thematisieren. So sollen in den Lärmschutzwänden und in der Vegetation Landschaftsfenster den Blick in das Umland lenken oder so genannte Ohrenparks die Unorte an Autobahnkreuzen bereichern. Ein weiteres Charakteristikum der Parkautobahn sollen neu aufzubauende Parktankstellen sein. Sie sind modulhaft aufgebaut: vom reinen Informationsort zum Emscher Landschaftspark bis zur ausgestatteten Gastronomie ist alles denkbar. An existierenden Abfahrten, Park- und Rastplätzen markieren sie die zentralen Zugänge in den Emscher Landschaftspark, der mit der Parkautobahn ein ungewöhnliches, regional verbindendes Element erhält. In der Vorbereitungsphase des Projektes hat sich bereits gezeigt, dass RUHR.2010 wichtige Impulse zur stärkeren Vernetzung und Zusammenarbeit der Städte in der Region geben kann. Der Baukultur Salon Glasgow 1990 hat aufgezeigt, dass das verbindende Element zwischen Glasgow und dem Ruhrgebiet insbesondere die noch anhaltende Bewältigung des Strukturwandels und seinen Folgen ist. Glasgow hat mit „seinem' Kulturhauptstadtjahr bewiesen, welche Chancen der Titel Kulturhauptstadt Europas birgt und welche Potenziale in der Region freigesetzt werden können. Jedoch wurde in der Diskussion ebenso deutlich, dass viele Probleme durch das Konzept der Kulturhauptstadt nicht gelöst werden können. Dies gilt es in den Vorbereitungen zur RUHR.2010 zu berücksichtigen sowie die Potenziale zu identifizieren und wirkungsvoll einzusetzen. Dabei helfen soll ein weiterer Baukultur Salon in 2008 zu der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt Liverpool am 04. September im stadtbauraum in Gelsenkirchen. Am 26. November dieses Jahres diskutiert Minister Oliver Wittke mit internationalen Gästen die aktuellen Planungen der RUHR.2010 im Themenschwerpunkt „Stadt der Möglichkeiten'.